Zusammengetragen von Toni Bendel, Stand 21.09.2024
Geschichte Schlössli Niederurnen
Aus der Studie zum Schlössli Niederurnen (GL) Zürich, 22.07.2008
(Urbanoffice, Hardstrasse 219, Maag Areal T 2, 8005 Zürich; tel 044 271 32 56; info@urbanoffice.eu)
Historischer Kontext:
Im Mittelalter legte man Siedlungen, Burgen und Verkehrswege an Berghängen und auf Schuttkegeln an – erhöht über dem Überschwemmungsbereich der Linth. Deshalb wanden sich die ersten Wege dem Hangfuss entlang, im ständigen Auf und Ab, bedingt durch Seitenrunsen und Schuttkegel.
Mittelalterliche Burgen lagen in unmittelbarer Nähe der Verkehrswege. Sie waren Wohnsitze von Adelsfamilien und gleichzeitig Verwaltungszentren und von ihnen aus wurden die Saum- und Karrwege bewacht.
1265 fand erstmals die Burg Oberwindegg Erwähnung. Deren Besitz war um 1300 unter «kleineren» Adligen sehr umstritten. Zum Beispiel erwähnen Schriftquellen zum Jahr 1302 einen Rudolf den Sümer als «amman ze Glarus» und in dem «nidern ampte». Im selben Jahr war aber auch Konrad von Schlachen im Zürcher Oberland als Ammann zu Windegg belegt und wenig später tauchte ein Hartmann Meier von Windegg auf. Zudem war 1306 Bigeri von Wagenberg bei Winterthur «österreichischer Amtmann» zu Glarus. Diese Häufung von gleichzeitigen Amtsträgern deutet auf konkurrierende Besitzansprüche der «grossen» Herrschaften hin, welche über die nötigen Schreibstuben verfügten, um überhaupt Urkunden produzieren zu können. Im Laufe des 13. Und zu Beginn des 14. Jahrhunderts buhlten demnach um diesen seit langem wichtigen Standort nicht nur die weltlichen Herrschaften Kyburg, Rapperswil, Habsburg oder Werdenberg, sondern auch die Klöster Wettingen, Einsiedeln, Schänis oder Säckingen.
In den Freiheitskämpfen des 14. Jahrhunderts waren die Sitze der österreichischen Vögte die Angriffsziele der Glarner und der verbündeten Eidgenossen. (7)
In den Feldzügen nach der Schlacht bei Sempach 1386 (Sempacherkrieg) nahmen die Glarner zusammen mit den Eidgenossen Weesen ein und zerstörten die Burg von Näfels und die Oberwindegg.
Im Februar 1388 eroberten die Österreicher das Städtchen zurück (Mordnacht von Weesen). Ein plünderndes habsburgisches Heer wurde am 9. April in der Schlacht bei Näfels von Glarnern geschlagen. Infolge der Friedensgespräche zwischen Eidgenossen und Habsburg bemühten sich habsburgfreundliche Zürcher Räte um den Loskauf des Landes Glarus von Säckingen. Ausserdem fanden Gespräche um einen «besseren Bund» zwischen Glarus und den Eidgenossen statt. Das Resultat dieser Bemühungen bleibt unklar. Im Sempacherbrief von 1393 wird Glarus jedenfalls erstmals als gleichberechtigter Partner genannt. Der zwanzigjährige Friede mit Habsburg 1394 scheint den Weg frei gemacht zu haben für den Auskauf der Säckinger Rechte in Glarus, der 1395 vom Kloster und von Habsburg genehmigt wurde. (8)
Um 1640 wurde begonnen den Hang unterhalb der Ruine der Oberwindegg zu terrassieren. Die für die Stützmauern nötigen Steine lieferte die zerstörte Burg. 1868 die ersten Rebbergstatuten für den Burgwegler erstellt. Die Rebbergstatuten wurden 1911 und 2007 revidiert. Die heutige Burgwegler-Rebberg-Korporation Niederurnen pflegt ca. 6500 Stöcke auf 1,4 ha bestückt mit diversen Traubensorten. Die Lese beträgt ca. 7000-8000 kg Trauben.
Unterlagen der Genossenschaft:
1876 erwarb der Tagwen Niederurnen aus dem Nachlass des Ratsherrn und Richters Albrecht Schlittler-Elmer, zum Vogelhof, den oberen Teil des 'Burghügels' samt etwas Wald. Vom ehemaligen mittelalterlichen Wohnturm waren nur noch wenige Überreste vorhanden – die behauenen Steine waren um 1640 für die Terrassierung des Weinberges verwendet worden.
1878 liess der Gemeinderat einen hölzernen 'Pavillon' (gespendet von Conrad Jenny-Jenny, Vaduz) samt gedeckter 'Trinkhalle' errichten, welche alsbald als Sommerwirtschaft, vorerst noch durch den Gemeinderat, ab 1893 vom frisch gegründeten Verkehrsverein Niederurnen betreut wurde – mit wechselndem Erfolg, was die Pächterschaft betraf. Bereits 1909 regte daher Gemeindepräsident (und Regierungsrat) Heinrich Jenny-Munz eine Renovation des alten Gebäudes auf dem schönen Aussichtspunkt an, 1912 wurde eigens dafür die 'Schlössli-Genossenschaft' gegründet, welche ein Jahr später die Erstellung des Schlössliturms samt angebauter Trinkhalle beschloss. 1914 war die Anlage fertig erstellt – die Einweihungsfeier, welche auf den 1. August 1914 festgesetzt wurde, konnte zwar wegen des Kriegsausbruchs nicht stattfinden – aber das jetzige 'Schlössli' war geboren.
Dokument auf der Homepage Schlössli Niederurnen: (Stand 2021)
Am 27. Juli 1912 entstand aus einem Initiativkomitee, bestehend aus Mitgliedern von Gemeinderat und Verkehrsverein sowie ein paar Idealisten, eine 'Genossenschaft für Ausbau und Betrieb einer Sommerwirtschaft auf dem Schlössli'. Zur Finanzierung des Umbaus wurde beschlossen, Anteilscheine im Betrag von Fr. 25.-- auszugeben. Ende Oktober des gleichen Jahres genehmigte die Tagwensversammlung als Liegenschaftseigentümerin einen ersten Leistungsvertrag mit der Schlössli-Genossenschaft Niederurnen. Am 5. April 1913 beschloss die Hauptversammlung, für insgesamt Fr. 12'500.-- den Schlössliturm erstellen zu lassen, Architekt Glor erklärte sich damit einverstanden, sein Honorar (Fr. 500.--) in Form von Anteilscheinen zu beziehen. Die damals 110 Genossenschafter zeichneten insgesamt für Fr. 9'700.--. Trotz der finanziell eher ungünstigen Lage wurde festgelegt, dem Turm eine Trinkhalle anzugliedern (und in deren Giebel zwei Zimmer auszubauen). Man hoffte auf noch mehr Anteilscheine und erhielt zudem von Prokurist Wild ein Darlehen von Fr. 6'000.--, bei einem Zins von 4 ½ %, rückzahlbar innert 20 Jahren. Als erster Pächter amtete Josef Ineichen-Grob, der jährliche Pachtzins betrug Fr. 600.--.
Im Jahre 2021 zählte die Schlössli-Genossenschaft Niederurnen an die tausend Mitglieder, dies, obwohl der Preis für einen Anteilschein im Laufe der Jahrzehnte auf Fr. 100.-- angewachsen ist. Die Genossenschafter traffen sich alljährlich am dritten Samstag im August zur Generalversammlung im Schlösslihof, wo ihnen kostenlos ein Schüblig mit Kartoffelsalat sowie ein Gratisgetränk abgegeben wird. Nach wie vor bestand ein Leistungsvertrag zwischen der Tagwens-Gemeinde und der Genossenschaft, welcher aber ebenfalls im Laufe der Zeit angepasst wurde, letztmals vor zehn Jahren. Demnach überlässt der Tagwen Niederurnen das Schlössli der Genossenschaft (Art. 2) und erhält dafür 60 % der Einnahmen aus der Weiterverpachtung (Art. 4). Der Tagwen übernimmt alle baulichen Aufwendungen inkl. Unterhalt, Transportbahn, elektrische Zuleitung und Installationen, Gas- und Wasserzuleitung samt Pumpenanlage und Sanitärinstallationen, Heizungsanlagen, etc. Für sämtliches Inventar war die Genossenschaft zuständig. Fest montierte Inneneinrichtungen gehörten zum Gebäude und waren Sache des Tagwen (Art. 3).
Der Verwendungszweck der Liegenschaft war also nicht vom Eigentümer vorgeschrieben, sondern Sache der Schlössli-Genossenschaft Niederurnen und daher richtigerweise im Zweckartikel der Genossenschaftsstatuten festgehalten. Es war dies einerseits die 'Erhaltung und Pflege der für Niederurnen als Wahrzeichen geltenden Burg 'Oberwindegg' [im folgenden 'Schlössli' genannt] als geografisch-historisch interessantem und aussichtsreichem Punkt' und andererseits der 'Betrieb einer Wirtschaft im Schlössli" zur Bestreitung der Unkosten (Art.1).
Per 01.01.2011 wurden die 8 Gemeinden gemäss Landsgemeindebeschluss vom … zu einer Gemeinde Glarus Nord zusammengefügt. So wurden auch die Tagwen aufgelöst. Die Genossenschaft Schlössli erhielt einen neuen Leistungsauftrag mit der Gemeinde Glarus Nord. Die Kompetenzen wurden neu geregelt.
Das Leuchtturmprojekt «Renovation Schlössli» wurde 2013 verpasst, da die Kantonsregierung die Verwendung der Gemeindefinanzen im Vorfeld der Gemeindefusion nicht bewilligt hat.
Bis 2015 überliess die Gemeinde der Genossenschaft das Gebäude zur Verpachtung und Führung des Restaurants. Die Doppelunterstellung der Schlössli-Restaurant-Pächterin erwies sich als wenig hilfreich. Im Jahre 2015 wurde der Leistungsauftrag der Gemeinde Glarus Nord und der Genossenschaft geändert. Der Vorstand der Genossenschaft hatte nur noch beratende Funktion.
Die neue Aufgabenteilung zwischen Genossenschaft Schlössli und der Gemeinde Glarus Nord ergibt, dass nur noch die Abteilung Liegenschaften der Gemeinde für das Pachtverhältnis zuständig ist. Dadurch wurde die Genossenschaft Schlössli faktisch nicht mehr in den operativen Bereich eingebunden. Im Jahre 2023 wurden die Statuten der Genossenschaft letztmals mit der neu formulierten Zweckbindung und geänderten finanziellen Verpflichtungen an der GV angenommen. Der Vorstand der Genossenschaft entschloss sich schweren Herzens nach 112 Jahren der GV 2024 den Antrag zur Auflösung der Genossenschaft vorzulegen. Am 24. August 2024 beschloss die Generalversammlung im Schlössli deren Liquidation.
Die Gemeinde Glarus, Abteilung Liegenschaften teilt mit, dass Sie die Schlössli-Liegenschaft mit dem Restaurant-Betrieb erhalten, nicht aber wegen der finanziellen angespannten Gemeindefinanzen ausbauen werden. An der letzten Genossenschafts-Versammlung orientierte Willy Bissig, dass er mit weiteren Interessierten neu zwecks Erschliessung für ALLE einen Schlössli-Verein-Niederurnen gründen will.
Zweck des Vereins soll sein:
a) die Unterstützung der Erschliessung des Aussichtspunktes und Gastrobetriebes Schlössli Niederurnen für alle;
b) die Unterstützung bei der Realisierung einer modernen und wirtschaftlich effizienten Betriebsführung des Restaurants;
c) die Unterstützung der Bekanntmachung des touristisch einmaligen Aussichtspunktes und des Gastrobetriebes.
Am 24. Oktober 2024 wurde der neue Schlössli Verein Niederurnen gegründet.
Als Initiator und erster Präsident amtet Willy Bissig, auch Schlössli-Rebberg-Miteigentümer.
Rechtliche Grundlagen – Stand 2007
Die Burg Oberwindegg mit Schlössli und Rebberg ist im kantonalen Inventar Kulturgüterschutz (10), in der Kategorie B und den Koordinaten 722.400/220.890 verzeichnet.
- Bauordnung (BO) 1993 der Gemeinde Niederurnen; Ergänzungen zur BO 1993 vom 04.12.1995 sowie vom 18.08.1998
- Kant. Raumplanugs- und Baugesetz (RBG) vom Mai 1988
- Bauverordnung (BV) vom 06.06.1989
- Verordnung über Bauten ausserhalb der Bauzone vom 26.04.1989
- Verordnung über Landumlegung vom 26.04.1989
Fussnoten
07: Historische Verkehrswege im Kanton Glarus, Bundesamt ür Strassen, ASTRA, Bern 2007
08: Rolf Kamm, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 21.05.2006
10: Ziel des Kulturgüterschutzes (KGS) ist es dafür zu sorgen, dass das kulturelle Erbe in bewaffneten Konfikten und in Katastrophenfällen möglichst unversehrt überlebt. In einem nationalen Inventar sind deshalb die nationalen (A )und regionalen (B) Objekte enthalten, die es entsprechend den vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen über den Kulturgüterschutz vorrangig zu schützen gilt.